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Der Outsider: Rezension

5.266 Byte hinzugefügt, 08:17, 2. Okt. 2018
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Fazit: 5 Sterne für das erste Drittel, 4 Sterne für das zweite, 2 für das letzte. Das ergibt rechnerisch noch eine aufgerundete 4; und angesichts des starken Beginns bin ich auch bereit, diese zu geben. Wenn ich auch wirklich enttäuscht über das einfallslose Finale bin.
==[[Benutzer:Horaz Klotz|Horaz Klotz]] (2 / 5)==
So gern King auch den Story-Frankenstein spielt, alte Elemente seiner Geschichten ausgräbt, neu zusammensetzt und auf das beste hofft, so gern wagt er sich ab und zu auch in ganz neue und unerwartete literarische Gefilde. ''Der Outsider'' ist so ein Wagnis - eine Mischung aus klassischen Krimi und King-typischem Monster-Horror. Diese Mischung funktioniert für mich leider überhaupt nicht. Der Witz bei einem guten Krimi ist ja, dass der Leser mitraten kann und im besten Fall schon vorm Kommissar auf des Rätsels Lösung kommt. Die unausgesprochene Vereinbarung zwischen Schreiber und Leser ist dabei: "Ich biete dir einen ganzen Haufen an widersprüchlichen Informationen, falschen Fährten und komplizierten Motiven, du versuchst dich mit Logik und gesundem Menschenverstand durch diesen Dschungel zu arbeiten und den Täter herauszufinden." Und genau das geht eben nicht, wenn der Autor auf halber Strecke plötzlich ein übernatürliches Monster mit einer ganzen Reihe magischen Fähigkeiten aus dem Hut zieht und schadenfroh verkündet: "Haha, die ganzen scheinbar unlogischen Hinweise und Zeugenaussagen können gar nicht logisch erklärt werden. Es war alles Magie. Reingefallen!" Als erfahrener King-Leser ahnt man natürlich ziemlich schnell, dass es darauf hinausläuft, wird aber trotzdem durch seitenlange Verhöre, DNA- und Indizienanalysen geschleift, die im Nachhinein alle mit Monster-Magie wegerklärt werden. Fantastische Krimis können natürlich funktionieren - die meisten Harry Potter-Bücher sind nichts anderes - aber nur wenn Leser und Ermittler die Regeln der Welt kennen und die Hinweise entsprechend deuten können.
 
Mit Regeln für sein neuestes Monster tut sich King aber sichtlich schwer. Das als volkstümlicher Gestaltwandler vorgestellte Westen, hat plötzlich auch die Fähigkeit zur Astralprojektion und bekommt auf den letzten Metern noch einige Sonderkräfte spendiert, die ganz zufällig genau in die Situation passen. Auch sonst konnte mich der Außenseiter als düsterer Antagonist nicht wirklich überzeugen. Der Kniff mit Angst, Schmerz und Tod als Nahrung ist ein ziemlich billiger Kunstgriff, der bei ''ES'' noch halbwegs thematisch funktioniert hat, bei ''Dr. Sleep'' schon ziemlich bemüht wirkte und hier nicht mehr wirklich reinpasst. Interessanterweise habe ich erst vor Kurzem ein Interview mit Mr. King und George R. R. Martin gesehen, in dem beide sich einig waren, dass mehrdimensionale und - zumindest im Ansatz - menschliche Bösewichte, mit eigener Geschichte und halbwegs nachvollziehbaren Motiven fast immer besser funktionieren als Killer-Maschinen und Slasher-Monster. Der Außenseiter ist eindeutig Letzteres: Er taucht plötzlich in der Geschichte auf, ist von Natur aus böse und muss möglichst grausame Morde begehen um am Leben zu bleiben, mehr brauchen wir nicht zu wissen. Das ist schon fast unverschämt simple Schurken-Schreibe.
 
Was mir dagegen gefallen hat und dem Roman zumindest seine zwei Punkte einbringt waren die menschlichen Elemente. Die Geschichte um den Musterbürger Terry Maitland ist konsequent und nett gnadenlos runtererzählt. Von der spektakulären Verhaftung, bis zu seinem tatsächlich überraschenden Ende. Auch wie der Außenseiter Jack Hoskins erpresst ist halbwegs nachvollziehbar dargestellt und trifft genau die richtige King-typische Mischung aus alberner Überzeichnung und purem Horror. Leider verpasst es King die erzählerischen Daumenschrauben am Schluss nochmal anzuziehen und lässt diese Geschichte um ermordete Kinder und ausgelöschte Familien mit einem vergleichsweise harmlosen Happy End schließen. Ein paar Nebencharaktere werden geopfert, dann ist der mächtige Außenseiter schon besiegt und unsere Helden verabschieden sich mit ein paar Albträumen in den verdienten Feierabend.
 
Mit meiner Meinung zu Holly Gibney und ihrer Rolle in diesem Fall stehe ich anscheinend nicht allein da. Nicht nur, dass sie das Rätsel im Alleingang löst und die bisherigen Hauptfiguren um ein paar eigene Heldenmomente bringt. Nicht nur, dass sie natürlich wieder mal einen ihrer alten Fälle nacherzählen muss, was mehr und mehr nach einem Weg aussieht, kostenlose Werbung für andere Bücher in die Handlung zu schmuggeln. Ihr völlig unangekündigtes Auftauchen als One-Woman-Ghostbuster-Team schafft auch einen gefährlichen Präzedenzfall im King-Universum. Was hindert das nächste übersinnlich begabte Kind, das sich plötzlich mit einem blutrünstigen Dämon konfrontiert sieht, oder den nächsten alkoholkranken Schriftsteller, der überraschend Besuch vom Geist der vergangenen Weihnacht bekommt, daran, zum Telefon zu greifen und Holly und ihre Sportsocke zu Hilfe zu rufen? Ich hätte ein ziemliches Problem damit, wenn King sie ab jetzt häufiger als unmotivierte "Du kommst aus dem Gefängnis frei"-Karte benutzt, sobald er sich in eine Sackgasse geschrieben hat.
 
Fazit: Ein Krimi, der nicht funktioniert. Ein Monster, das mal wieder das absolute Böse ist. Eine Auflösung, die nicht zum Rest der Geschichte passt. Nur Kings Fähigkeit seinen Figuren ein eigenes Leben einzuhauchen und die Kaltblütigkeit, mit der er es ihnen wieder wegnimmt, rettet die Geschichte vor der Totalkatastrophe.
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