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Faire Verlängerung: Rezension

Aus KingWiki
Version vom 3. Oktober 2016, 16:33 Uhr von Andreas (Diskussion | Beiträge) (Andreas (5 / 5))

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Croaton (5 / 5)

Hahahahaaaahhahahaha!
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal über eine Geschichte derart totgelacht habe. Stephen Kings Kurzgeschichte Faire Verlängerung hat voll und ganz meinen Nerv als Fan des gepflegten schwarzen Humors getroffen. Und diesen Humor zelebriert King wie wohl nie zuvor.
Viele werden über die Geschichte (und diese Rezension!) die Nase rümpfen, und objektiv betrachtet macht King hier nichts anderes als sich am Leid der anderen zu ergötzen, an Krankheiten, Behinderungen, Unfällen. Aber wie er das tut ist einfach unvergleichlich – und so lustig, dass ich beim Hören der Story mehrfach meinen iPod ausschalten musste, um vor Lachen nichts zu verpassen! Mit daran "Schuld" ist auch Leser Craig Wasson, der ebenfalls hörbar Spaß an dem Juwel hatte und alles perfekt intoniert; einmal bekommt George Elvid einen Lachanfall, den Wasson so gut rüberbringt, dass ich angesteckt wurde! Dass Elvid durchaus an Leland Gaunt erinnert, schadet in meinem Fall auch nicht, liebe ich doch den Roman In einer kleinen Stadt ...
Ich bewundere Kings Konsequenz in Faire Verlängerung. Jeder, wohl selbst der hartgesottenste King-Fan (und somit auch ich!), erwartet am Ende die Moral, das dicke Ende für Streeter, aber nein! Er hat einen Deal mit dem Teufel gemacht, bekommt, was er wollte … und genießt jede Sekunde bis zur letzten, bissigen Zeile. Dann noch zahlreiche Anspielungen auf andere Werke, die in Derry spielen und auf den Dunklen-Turm-Zyklus – ein Komplettpaket zu einem überaus fairen Preis! Ich würde mir nur noch eine faire Verlängerung dieser Kurzgeschichte wünschen, denn ich habe jedes Wort genossen. Somit gilt Streeters Schlusswunsch auch für mich!

Meine Lieblingszitate drehen sich rund um Carl Goodhugh:

  • Über den schlechten Witz, den das Leben für Carl bereithielt: "Jan hatte recht, das war ein Witz, aber irgendwie ein guter Witz. Wenn man richtig darüber nachdachte."
  • Über Carls Klatschversuche: "Er versuchte es, aber seine Hände verfehlten sich. Schließlich gab der frühere Emerson-Student die Klatscherei auf und zeigte nur noch johlend in den Nachthimmel."
  • Carls Ableben: "Gracie hatte Carl noch gurgeln hören, aber geglaubt, das sei 'bloß sein üblicher Scheiß'."

Fazit: Kings ureigene Interpretation des faustschen Handels, in der ein prächtig gelaunter King sich selbst nicht ernst nimmt und alle Lesererwartungen verächtlich in den Wind schlägt, kann man nur hassen oder lieben. Diejenigen, die zu der glücklichen letzten Gruppe gehören, werden ihren Heidenspaß haben.

Wörterschmied (5 / 5)

Hohohohohohohohohoho!

Schadenfreude, schönste Freude! Wie interessant die Erlebnisse von Streeters Familie und von Goodhughs Familie auch sein mögen – ich glaube jeder Leser wartet nur auf die letzte Seite, wo auch Streeter endlich seine Rechnung zahlen muss. Und was passiert?

Hihihihihihihihihihihi!

Nichts!

Keine Moral.

Oder?

Doch! Erwarten wir ein biblisches Ende, indem das Böse wie gewohnt büßen muss, erhalten wir ein Ende, dass so unerwartet ist... weil es genau der Realität entsprecht! Wer nichts hat, möchte etwas haben. Wer viel hat, möchte noch mehr haben! Und während sich Streeter in den Arm seiner Frau kuschelt, sagt, er habe alles, was sein Herz begehrt und sich im selben Moment noch mehr wünscht – da wurde der Leser rotwangig ertappt! Denn dort findet er keinen verachtbaren Sündenbock, sondern einen Spiegel vor dem eigenen Gesicht!

Andreas (5 / 5)

Es ist in meinen Augen faszinierend, auf welch unterschiedlichen Wegen man zum gleichen Resultat kommen kann. Fangen wir mit ebenjenem an. Ich finde die Geschichte ebenso großartig und faszinierend. Allerdings kann ich ihr so rein gar nichts komisches abgewinnen. Im Gegenteil. Bei mir überwiegt die Faszination, wie King es schafft in sehr wenigen Zeilen einen Raum für komplexe Gedanken über die Figuren, ihre Moral und mögliche Rechtfertigungen zu erschaffen.

Dabei beginnt King in meinen Augen weder besonders spekatulär, noch sonderlich einfallsreich. Es gibt so viele Drehbücher in Hollywood, die mit der gleichen Konstellation beginnen. Beste Schulfreunde, deren Freundschaft alles andere als beidseitig oder intensiv ist. Die Rollen scheinen klar verteilt. Dave Streeter, der arme gebeutelte Mann mit Krebs und Tom Goodhugh, sein erfolgreicher, attraktiver und stinkreicher Kumpel aus der Grundschule, der ihm die Frau weggenommen hat und auch noch ein Kind mehr in die Welt setzte. Doch King setzt das, was möglicherweise in einer Komödie enden könnte, konsequent ein bis drei Level stärker und düsterer an. In einem von wenigen fließenden Übergängen lässt er Streeters Krebs ebenso verschwinden, nur um ihm dann seiner eigentlichen Jugendliebe zu geben. Im gleichen Zimmer, vom gleichen Arzt mit den gleichen Worten. Für mich einer der Kernmomente der Geschichte. Norma war einer der Aufhänger für Streeters unbändige Wut auf seinen Kindheitsfreund. Er ist mit seiner Frau glücklich, aber trotzdem denkt er noch an ihre kurzen Röcke, wenn er mit Janet schläft. Auch 20 Jahre nach der Trennung kann er es scheinbar weder Tom noch Norma verzeihen, dass sie sich gegen ihn entschieden hat. Doch ihr Leiden und ihr darauf folgender Tod lässt ihn scheinbar unberührt. In meinen Augen der erste Schlag ins Gesicht für Alle, die mit Streeter vor seiner teuflischen Heilung gelitten haben.

Die Entwicklung geht einseitig und scheinbar ohne Halt so weiter. Depressionen, Leiden und der Tod wartet auf die Familie Goodhugh, süßsaures Glück, Erfolg und Vermögen auf der anderen Seite. King schafft es, dass ich Streeter gegen Ende der Geschichte den Krebs wieder zurückwünsche, nur um dann zu merken, dass ich damit kein bischen besser bin wie er. Und doch, Goodhugh mag ein rücksichtsloser Gauner gewesen sein. Aber er war nicht für die Passivität Streeters verantwortlich, die ihm womöglich um seine Beziehung zu Norma gebracht haben, die ihn um die Beförderung gebracht haben. Er war nicht für den Krebs von Streeter verantwortlich. Dieser jedoch ist es aller Wahrscheinlichkeit nach. Für den Tod seiner ach so innig geliebten Jugendliebe, für den Tod mehrerer völlig unbeteiligter junger Menschen. Für das Leid so Vieler. Was macht er daraus? Er will nur noch mehr. Heiliges! Dass George Elvid nicht auf seine Seele besteht, ist gar kein Problem. Was sollte er auch mit Streeters nach diesen Ereignissen anfangen?

Die Geschichte ist kurzweilig, düster, und scheint auf mehreren Ebenen sehr gut zu funktionieren. Dass sie noch niemand verfilmen will, erscheint mir aktuell etwas merkwürdig. Aber schon möglich, dass es für den großen Film einen noch viel deutlicheren Wink mit dem Moralzaunpfahl benötigt. Schade eigentlich.


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KurzgeschichteInhaltsangabeRezensionNovellensammlung
Charaktere: George ElvidFamilie Streeter (Dave, Janet, Justin, May) • Familie Goodhugh (Tom, Norma, Carl, Gracie, Jacob) • Roderick Henderson
Orte und Sonstiges: DerryJuniper HillLange Tage und angenehme Nächte • Verwandte Geschichte: Der Mann im schwarzen Anzug