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Friedhof der Kuscheltiere: Rezension: Unterschied zwischen den Versionen

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Klappt das? Auf jeden Fall! Es wirkt düster und beängstigend. Nicht so sehr die Angst vor dunklen Friedhöfen, die von scheinbar nie wirklich zu sehenden Kindern gepflegt werden, oder Wäldern. Sondern vor allem die Angst, dass man sich selbst mit der grundlegenden Frage auseinandersetzen muss, wie man selbst mit dem Thema Tod umgehen will, oder soll, oder kann.
 
Klappt das? Auf jeden Fall! Es wirkt düster und beängstigend. Nicht so sehr die Angst vor dunklen Friedhöfen, die von scheinbar nie wirklich zu sehenden Kindern gepflegt werden, oder Wäldern. Sondern vor allem die Angst, dass man sich selbst mit der grundlegenden Frage auseinandersetzen muss, wie man selbst mit dem Thema Tod umgehen will, oder soll, oder kann.
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==[[Benutzer:Jimla2|Jimla]] (5 / 5)==
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''[[Friedhof der Kuscheltiere]]'' ist ein durch und durch böser und gemeiner Roman, in dem jeder winzige Funke Hoffnung im Keim erstickt wird. Einem Schlag in die Magengrube folgt der nächste und als Leser ist man dabei, wie sich die Spirale des Grauens immer enger zusammenzieht. An manchen Stellen möchte man am liebsten gar nicht weiterlesen, aber man tut es doch, weil die Handlung einen packt, so wie der [[Begräbnisplatz der Micmac]] [[Louis Creed]] packt.
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Der Schein einer Idylle besteht nur sehr kurz. Sobald [[Jud Crandall]] die Familie Creed erstmals zum [[Tierfriedhof]] führt, erhält der Tod Einzug in ihr Leben. Zunächst sieht sich [[Eileen Creed|Ellie Creed]] mit der unvermeidlichen Tatsache des Todes konfrontiert, während ihre Mutter [[Rachel Creed|Rachel]] aufgrund eines Traumas ihrer Kindheit ein völlig gestörtes Verhältnis zur Sterblichkeit allen Lebens hat. Louis selbst muss gleich am ersten Tag seiner neuen Arbeit dem Ableben eines [[Victor Pascow|jungen Studenten]] beiwohnen, bei dem jede Hilfe zu spät kommt.
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Wie ein Damoklesschwert hängt das Thema Tod über der gesamten Handlung dieses Romans. Zuerst sind es nur Ellies Hirngespinste, dass ihr Kater [[Church]] sterben könnte, ausgelöst durch den Besuch des Tierfriedhofs. Stephen King kündigt den Tod in seinem besten Roman immer schon im Vorfeld an. Bevor der Kater tatsächlich stirbt, musste sich Ellie bereits mit der theoretischen Möglichkeit seines Todes auseinandersetzen. Bevor [[Norma Crandall]] stirbt, erleidet sie bereits einen Herzanfall, den sie aber überlebt. Bevor [[Gage Creed]] stirbt, erstickt er einmal fast an seinem Erbrochenen. Immer trister gestaltet sich die Handlung, je öfter der Tod von einer weit entfernten Möglichkeit zum unvermeidlichen Fakt wird.
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Doch wie unvermeidlich ist der Tod wirklich? Zumindest in diesem Roman lässt King eine Hintertür offen. Eine Hintertür für die verzweifelten Hinterbliebenen, die die Endgültigkeit des Todes nicht akzeptieren wollen. Denn der besagte Begräbnisplatz besitzt die ebenso unheimliche wie verlockende Macht, Tiere wie auch Menschen ins Leben zurückzuholen. Es wäre allerdings nicht Stephen King, wenn die Sache nicht einen gewaltigen Haken hätte.
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Schon bevor der Roman seinem unvermeidlichen, höllischen Finale zusteuert, hat man als Leser Kapitel und Stellen hinter sich, die sich bereits nach dem ersten Lesedurchgang (von mittlerweile drei) in mein Gedächtnis gebrannt haben. Besonders eindrücklich ist die Szene, in der Louis mit seinem Sohn Gage Drachen steigen lässt. Ein letztes Mal noch lässt King den Familienvater unbedingt glücklich sein, nur um ihn (und den Leser) später mit voller Härte zu treffen. Ganz beiläufig, fast unverschämt lässt King mitten in dieser unbeschwerten Szene in einem Nebensatz die Bemerkung fallen, dass Gage nur noch weniger als zwei Monate zu leben habe. Böse und gemein.
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Wahrhaft grauenvoll ist auch die Szene kurz davor, als Rachel ihrem Mann endlich ihr Kindheitstrauma anvertraut. Ihre Schilderungen von ihrer kranken Schwester [[Zelda Goldman|Zelda]] haben mich als Sechszehnjähriger, als ich den Roman erstmals las, in Angst und Schrecken versetzt. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie entsetzlich das Leben für die kleine Rachel und ihre (ziemlich blöden) Eltern gewesen sein muss, als Zelda in diesem Hinterzimmer gleichsam einem Ungeheuer dahinvegetierte und die Familie tyrannisierte.
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Schockierend auch die kurze Traumsequenz, in der Louis für einen Moment glaubt, Gages Tod habe sich gar nicht zugetragen, und er seinen (etwas übertrieben positiven) Werdegang vor Augen sieht.
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Ohne weiter auf meine Lieblingsszenen des Romans einzugehen, schließe ich mit der Bemerkung, dass Stephen King hier den besten, weil trostlosesten und angsteinflößendsten Horrorroman geschrieben hat, den ich je gelesen habe. Er lässt hier nur wenig Freude zu, und wenn er es tut, dann nur, um die nachfolgende Tragödie umso schlimmer wirken zu lassen. Der Horror stellt sich nicht erst am Ende ein, sondern schwingt auf jeder Buchseite mit; oft offenkundig, bisweilen aber im Hintergrund – auf eine Gelegenheit wartend hervorzukommen.
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Ein großartiger Horrorroman und aus meiner Sicht der beste Grund für Stephen King, den Titel „King Of Horror“ zu tragen.
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Aktuelle Version vom 28. Juli 2022, 15:55 Uhr

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Croaton (5 / 5)

Dieser Roman könnte wohl der düsterste Roman von King sein, auch wenn ich persönlich der Ansicht bin, dass sein ursprünglicher Wunsch, das Buch genau deshalb nicht zu veröffentlichen, ein wohl geplanter und äußerst erfolgreicher Werbegag war. Von der ersten bis zur letzten Seite ist kaum Platz für Optimismus, es geht nur um den Tod, der ständig über der Familie Creed zu schweben scheint und der sich immer häufiger in ihre Gedanken und Diskussionen schleicht.

Da ist Rachel Creed, die nicht über den Tod sprechen will, da sie miterleben musste, wie einst ihre Schwester qualvoll starb; Nachbar Jud Crandall, dessen Frau Norma kurz nach Louis Creeds Umzug verstirbt; Victor Pascow, der an Louis' allererstem Arbeitstag in seinen Armen das Zeitliche segnet; der Kater Church, der überfahren wird - und natürlich der Tierfriedhof, der alles erst ins Rollen bringt.

Ich kann kaum behaupten, das Buch zu mögen - ich finde fast, man kann es nicht mögen, da es einen ständig hinunterzieht. Und doch gibt es die vollen 5 Punkte, denn der Roman lässt einen eben darum nicht los, zwingt einen, sich mit seinen Urängsten auseinanderzusetzen und sich die Frage zu stellen: Hätte ich gehandelt wie Louis es tut?

In wenigen Büchern wird so tiefsinnig über den Tod reflektiert. Ein unbequemes Werk, das gerade deshalb (und trotz seines unglaublich dämlichen deutschen Titels) unbedingt lesenswert ist.

Mr. Dodd (5 / 5)

Mit Sicherheit ist Friedhof der Kuscheltiere der düsterste und deprimierendste Roman, den ich je gelesen habe. Zwischen dem idyllischen Anfang, der sympathischen Familie und dem unheimlichen Ende klaffen Welten.

Der Roman beschäftigt sich mit dem Tod, und Stück für Stück zieht das die Familie Creed in das Chaos. Sei es der Tierfriedhof, der Ellies Creed Angst vor dem Tod ihres Katers Church haben lässt, Louis Creed, der ohne Eltern aufwächst und schon am ersten Arbeitstag mit Victor Pascow seinen ersten Unfalltoten hat, oder besonders schlimm Rachel Creed, die gezwungen war beim Tod ihrer schwerkranken Schwester dabei zu sein. Und da ist das noch ihr Nachbar Jud Crandall, der viel mehr über den Tod weiß und selber eine kranke Frau zu pflegen hat.

Es wird immer schlimmer vom Anfang weg, schon bald stirbt Church und mit ihm wird die moralische Frage aufgestellt: Soll der Tod wirklich das Ende sein, ist es nicht besser tot zu sein? Als Jud Louis den geheimnisvollen Begräbnisplatz der Micmac zeigt, kann er Church ins Leben zurückbringen. Jud glaubt das bloß zu machen, um Ellie den Verlust ihres Katers in so jungen Jahren zu sparen. Doch er bringt damit einen Stein ins Rollen. Spätestens ab dem Moment als sich Rachel an ihre Schwester erinnert, deprimiert der Roman nur noch. Tiefpunkt ist dann der Tod von Gage Creed. Über mehrere Seiten hinweg zieht einem der Roman nach unten und man weiß genau was der Vater vorhat. Es ist die Frage, ob man Louis abhalten würde oder nicht. Würde man selbst einen geliebten Menschen zurückholen, der zu früh gegangen ist?

Der Roman beantwortet diese Frage auf schaurige Art, denn das Ende zerstört die kleine, glückliche Familie endgültig und endet noch dazu fies offen, auch wenn jeder wissen dürfte, was passiert. Atmosspährisch dicht, ständig düster, mit kaum fröhlichen Momenten, aber reich an Spannung und interessanten Diskussionen über den Tod, ist Friedhof der Kuscheltiere eines der besten Werke von King. Gleichzeitig aber so deprimierend und offen grausam, so das ich vollstes Verständnis habe, weshalb King lange wartete mit der Veröffentlichung.

Andreas (5 / 5)

Düster und deprimierend? Ein Buch voller Angst und der Beschäftigung mit dem Tod? Und das von Stephen King? Das kann doch nur gut sein, oder? Stephen King hat mit dem im November 1983 veröffentlichten Roman ein durchaus vielschichtiges und dennoch verständliches Werk geschaffen. Er bedient sich Elementen aus seinem ganz eigenem Leben, aus der traditionellen Mythologie von Maine und ganz nebenbei mehrerer popkultureller Einflüsse. Schauen wir uns doch mal näher an, warum dieses Buch so hervorragend ist.

Es ist vor allem einfach zu greifen. King spielt hier mit Ängsten, die ganz alltäglich sind. Der Angst vor dem Tod und dessen Entgültigkeit. Die Schwierigkeit von Erwachsenen nicht nur selbst damit umzugehen, sondern auch ihren Kindern und Partnern das Thema beizubringen. King stellt seine Hauptakteure mit ihren extrem wirkenden Erfahrungen schonungslos vor. Louis, der seinen Vater mit drei verliert und als Kind durch seinen Onkel und dessen Tätigkeit als Bestatter das Lebensende intensiv erlebt hat. Rachel Creed, die durch das qualvolle Ende ihrer Schwester Zelda Panik und Terror empfindet. Jud Crandall, der so lange lebt, dass er den Tod seiner Freunde, seiner Familie und mehrere Generationen der Einwohner von Ludlow miterleben muss. Und darüber hinaus Nebenfiguren wie Ellie Creed, die das Thema Tod erst zu begreifen lernt, Norma Crandall, die zuerst voller Angst und schlussendlich von Akzeptanz geprägt ist. Selbst Randfiguren wie der Pathologe Rynzwyck haben ihren kleinen Part. Der Doktor des Krankenhauses von Bangor ist von Toten so enorm umgeben, dass er bedenkenlos seine Vormittage beim Golfen verbringt.

All das schwebt von Anfang des Romans an über dem Leser, der vor die Wahl gestellt wird, mit welcher Figur er sich am ehesten identifizieren kann. Es ist nur natürlich, dass Louis Creed der Favorit dabei ist. Er ist schließlich der Hauptcharakter und Der, den wir bei seinem Scheitern beobachten. Kings ganz eigenes Leben fließt heftig in Louis ein. Auch er zog 1978 mit seiner jungen Familie für eine Stelle an der University of Maine in Orono um. Nicht nach Ludlow, sondern in das im Roman erwähnte Burrington. Aber dennoch gleichen sich King und Creed sehr. Beide sind finanziell zwar nicht auf Rosen gebettet (King war es zu dem Zeitpunkt noch nicht), aber diese Angst ist hier – im Gegensatz zu anderen Geschichten – gar nicht vorhanden. Louis und Stephen haben Frau und junge Kinder, um die sie sich neben ihren ganz eigenen Problemen kümmern müssen. Selbst die vielbefahrene Straße vor dem Haus und der von einheimischen Kindern angelegte Tierfriedhof ist bei Beiden gleich. King sei die Idee zum Friedhof der Kuscheltiere gekommen, als sein Sohn Owen fast von einem Wagen erfasst wurde. Die Ängste, die man dabei aussteht, kann wohl nur ein Elternteil wirklich begreifen.

Auch King wurde ohne eigenen Vater groß, und doch sehe ich bei Louis Creed vor allem die Figur des Polizisten Howie aus The Wicker Man vor mir. Der rational denkende Mann, der sich plötzlich heidnischen Ritualen und Mythen gegenüber steht. Insgesamt halte ich Louis Creeds Scheitern und der Untergang von ihm und seiner Familie für besonders tragisch. Denn während des ganzen Romans bin ich weniger vom Tod der Figuren entsetzt, denn von der Abwendung des Arztes von seinen eigenen Grundsätzen. Wir erfahren von ihm, dass er schon als Kind bei seinem Onkel aushalf, Leichen für Beerdigungen herzurichten. Selbst seiner Tochter und seiner Frau gegenüber verteidigt er den Tod als natürliches Ende des biologischen Zyklus. Und doch wirft ihn der Tod komplett aus der Bahn. Dass er versucht, seinen Sohn zurückzubringen ist dabei der traurige Höhepunkt seiner Niederlage. Schon bei Church – wie passend, dass der Spitzname des Haustieres Kirche auf deutsch heißt – ist er aber schon fernab der Wirklichkeit. Von allen guten Geistern verlassen trifft es wohl banalerweise. Natürlich war der Kater ein Bestandteil der Familie. Aber ist die Wiederkehr als Zombiekatze wirklich besser als seinen Fehler beim Aufpassen zuzugeben?

Der Tod seines Sohnes, seines absoluten Lieblings, ist ’nur‘ die tragische Konsequenz. Zweifelsohne ist Louis kein schlechter Vater oder Ehemann, aber Gage spielt bei ihm eine besondere Rolle. In seinem Träumen, in denen er in Disney World harmlose Blessuren heilt, sitzt er mit Gage zusammen in einem Traktor der Parade, nicht mit seiner Frau oder seiner Tochter. Er kümmert sich mit etwas mehr Hingabe darum, dass sein Sohn ruhig schläft. Macht das sein Handeln verständlich? Ein Wenig, denn es bleibt dieses Bild, dass der gebildete Akademiker die Leiche seines Sohnes nicht in Ruhe lässt, sondern in seiner egoistischen Trauer ihn lieber als mordenden Sohn zurückhaben will.

Neben Louis‘ Werdegang fasziniert mich vor allem Jud Crandall. Der Mann, der für Louis zum Ersatzvater wird, nimmt für mich eine sehr merkwürdige Rolle ein. Auf der einen Seite steht er der jungen Familie mit Rat und Tat zur Seite. Auf der anderen Seite wirken er und Norma wie die Moderatoren einer schaurigen Manege. Schlimmer noch, denn zumindest Jud moderiert nicht nur, sondern greift aktiv in die Handlung ein. Er erzählt schon am ersten Abend der Creeds vom Tod, er bringt die Familie auf den Tierfriedhof, nur um im Anschluss Louis eine Geschichte über die Faszination der Kinder Ludlows mit dem Begraben ihrer Haustiere näherzubringen. Victor Pascows Auftauchen in Louis‘ Träumen mag ihn erst über die Besonderheit des Indianerfriedhof aufmerksam gemacht haben, aber scheinbar kann nur Crandall ihn über die magische Funktion der Begräbnisstätte erzählen. Er wirkt wie ein Hüter des magischen Ortes, der entweder auf tragische Art und Weise oder vielleicht doch mit voller Absicht, immer wieder für weitere Vorkommnisse dort sorgt. Damit gleicht er verschiedenen Figuren aus Lovecrafts Geschichten. Wie einem Museumswärter, der dem wissenschaftlich auftretenden Professor vor dem warnt, das ihn hinter einem eigentlich vergessenem Portal erwartet. Nur um schreckensvoll danebenzustehen, während das Opfer die Tür öffnet und von Cthulhu in eine andere Dimension zu ziehen. Wenn er fast schon qualvoll davon erzählt, wie viele Freunde oder Mitbewohner Ludlows er hat sterben sehen, von wie vielen Todeszeitpunkten er noch weiß, scheint es so, als wäre er selbst ein Opfer. Ein Opfer seines langen Lebens und ein Opfer, nicht bei dem Ende der Creeds zuschauen zu müssen.

Alles in Allem ist Friedhof der Kuscheltiere keine einfach zu verdauende Geschichte. Nicht so sehr wegen der offensichtlichen Anspielungen auf Zombie-Filme. Ich glaube, auch vor mehr als 30 Jahren gab es genügend heftigeres Material in der Richtung. Es ist vor allem wegen der scheinbaren Ausweglosigkeit nicht ohne. Wie King es auch in anderen Romanen – vor allem denen, die er unter seinem Pseudonym Richard Bachman – darstellt, gibt es nur diese eine Richtung und keinen Ausweg. Das, was Louis Creed sich selbst und seiner Familie antut, scheint wie ein übergroßer Liebesbeweis. Und noch viel schlimmer, es wirkt so flüssig in der Reihenfolge, dass man fast glauben mag, die Creeds waren schon verloren, als sie die Tür ihres Autors vor ihrem Haus in Ludlow geöffnet haben.

Ich denke, Friedhof der Kuscheltiere ist kein literarisch tiefgründiges Buch. King bedient sich in meinen Augen bei vielen bereits zuvor vorhandenen Themen. Zombiefilme und klassische Horrorliteratur seiner Vorbilder spielen eine Rolle. Der Wendigo von den Ureinwohnern wirkt etwas gewollt in die Handlung hineingedrückt, zeigt aber dennoch, dass sich King nicht nur von der Popkultur beeinflussen lässt. Sein eigenes Leben und die dadurch ausgelösten Gefühle stehen wohl vor allem Pate für das, was er auszudrücken versucht.

Klappt das? Auf jeden Fall! Es wirkt düster und beängstigend. Nicht so sehr die Angst vor dunklen Friedhöfen, die von scheinbar nie wirklich zu sehenden Kindern gepflegt werden, oder Wäldern. Sondern vor allem die Angst, dass man sich selbst mit der grundlegenden Frage auseinandersetzen muss, wie man selbst mit dem Thema Tod umgehen will, oder soll, oder kann.

Jimla (5 / 5)

Friedhof der Kuscheltiere ist ein durch und durch böser und gemeiner Roman, in dem jeder winzige Funke Hoffnung im Keim erstickt wird. Einem Schlag in die Magengrube folgt der nächste und als Leser ist man dabei, wie sich die Spirale des Grauens immer enger zusammenzieht. An manchen Stellen möchte man am liebsten gar nicht weiterlesen, aber man tut es doch, weil die Handlung einen packt, so wie der Begräbnisplatz der Micmac Louis Creed packt.

Der Schein einer Idylle besteht nur sehr kurz. Sobald Jud Crandall die Familie Creed erstmals zum Tierfriedhof führt, erhält der Tod Einzug in ihr Leben. Zunächst sieht sich Ellie Creed mit der unvermeidlichen Tatsache des Todes konfrontiert, während ihre Mutter Rachel aufgrund eines Traumas ihrer Kindheit ein völlig gestörtes Verhältnis zur Sterblichkeit allen Lebens hat. Louis selbst muss gleich am ersten Tag seiner neuen Arbeit dem Ableben eines jungen Studenten beiwohnen, bei dem jede Hilfe zu spät kommt.

Wie ein Damoklesschwert hängt das Thema Tod über der gesamten Handlung dieses Romans. Zuerst sind es nur Ellies Hirngespinste, dass ihr Kater Church sterben könnte, ausgelöst durch den Besuch des Tierfriedhofs. Stephen King kündigt den Tod in seinem besten Roman immer schon im Vorfeld an. Bevor der Kater tatsächlich stirbt, musste sich Ellie bereits mit der theoretischen Möglichkeit seines Todes auseinandersetzen. Bevor Norma Crandall stirbt, erleidet sie bereits einen Herzanfall, den sie aber überlebt. Bevor Gage Creed stirbt, erstickt er einmal fast an seinem Erbrochenen. Immer trister gestaltet sich die Handlung, je öfter der Tod von einer weit entfernten Möglichkeit zum unvermeidlichen Fakt wird.

Doch wie unvermeidlich ist der Tod wirklich? Zumindest in diesem Roman lässt King eine Hintertür offen. Eine Hintertür für die verzweifelten Hinterbliebenen, die die Endgültigkeit des Todes nicht akzeptieren wollen. Denn der besagte Begräbnisplatz besitzt die ebenso unheimliche wie verlockende Macht, Tiere wie auch Menschen ins Leben zurückzuholen. Es wäre allerdings nicht Stephen King, wenn die Sache nicht einen gewaltigen Haken hätte.

Schon bevor der Roman seinem unvermeidlichen, höllischen Finale zusteuert, hat man als Leser Kapitel und Stellen hinter sich, die sich bereits nach dem ersten Lesedurchgang (von mittlerweile drei) in mein Gedächtnis gebrannt haben. Besonders eindrücklich ist die Szene, in der Louis mit seinem Sohn Gage Drachen steigen lässt. Ein letztes Mal noch lässt King den Familienvater unbedingt glücklich sein, nur um ihn (und den Leser) später mit voller Härte zu treffen. Ganz beiläufig, fast unverschämt lässt King mitten in dieser unbeschwerten Szene in einem Nebensatz die Bemerkung fallen, dass Gage nur noch weniger als zwei Monate zu leben habe. Böse und gemein.

Wahrhaft grauenvoll ist auch die Szene kurz davor, als Rachel ihrem Mann endlich ihr Kindheitstrauma anvertraut. Ihre Schilderungen von ihrer kranken Schwester Zelda haben mich als Sechszehnjähriger, als ich den Roman erstmals las, in Angst und Schrecken versetzt. Ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie entsetzlich das Leben für die kleine Rachel und ihre (ziemlich blöden) Eltern gewesen sein muss, als Zelda in diesem Hinterzimmer gleichsam einem Ungeheuer dahinvegetierte und die Familie tyrannisierte.

Schockierend auch die kurze Traumsequenz, in der Louis für einen Moment glaubt, Gages Tod habe sich gar nicht zugetragen, und er seinen (etwas übertrieben positiven) Werdegang vor Augen sieht.

Ohne weiter auf meine Lieblingsszenen des Romans einzugehen, schließe ich mit der Bemerkung, dass Stephen King hier den besten, weil trostlosesten und angsteinflößendsten Horrorroman geschrieben hat, den ich je gelesen habe. Er lässt hier nur wenig Freude zu, und wenn er es tut, dann nur, um die nachfolgende Tragödie umso schlimmer wirken zu lassen. Der Horror stellt sich nicht erst am Ende ein, sondern schwingt auf jeder Buchseite mit; oft offenkundig, bisweilen aber im Hintergrund – auf eine Gelegenheit wartend hervorzukommen. Ein großartiger Horrorroman und aus meiner Sicht der beste Grund für Stephen King, den Titel „King Of Horror“ zu tragen.


V E Artikel über Friedhof der Kuscheltiere
RomanRomanauszugFilmRemake

Inhaltsangabe (Teil I und Teil II) • deutsches HörbuchOriginal-HörbuchHörspielRezensionen (Roman, Film, Remake, Original-Hörspiel) • Klappentexte • Coverpage

Charaktere: Familie Creed (Louis, Rachel, Ellie, Gage, Church) • Jud und Norma CrandallFamilie Goldman (Irwin, Dory, Zelda) • Steve Masterton
Schauplätze: LudlowTierfriedhofRoute 15Begräbnisplatz der Micmac
Sonstiges: Micmac-IndianerZombies19831984