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Herman Wouk lebt noch: Rezension

5.124 Byte hinzugefügt, 07:56, 7. Dez. 2015
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Einen Punkt gibts für den alten Dichter, der mich irgendwie an die Figur des Alten Weisen im antiken Drama erinnert.
==[[Benutzer:Tiberius|Tiberius]] (5 / 5)==
Es gibt wahrscheinlich mehrere Blickwinkel mit denen man die Geschichte betrachten kann. Genauso, wie es viele Gründe für die Handlungsweisen der Charaktere gegeben haben kann. Zum einen könnte man die alleinstehenden Mütter für ihren Egoismus verfluchen. Wie können sie es wagen, ihrem und dem Leben ihrer Kinder ein Ende zu setzen. Wie können sie es wagen, völlig Unbeteiligte in Gefahr zu bringen. Unbeteiligte wie die harmlosen und sympatischen Literaten, welche sogar noch helfen wollen.
 
Nur dreht sich für mich dieser Blickwinkel ein paar Minuten nach dem Lesen. Ja, die beiden Frauen sind noch immer nicht meine absoluten Lieblinge, aber soetwas wie Verstehen und Mitleid setzt ein. King verwendet eine ganz ähnliche Situation in seiner Einleitung von ''[[Mr. Mercedes]]'', als er uns mit einer alleinstehenden arbeitslosen Mutter auseinandersetzt, die ganz direkt fragt, was sie denn ohne Babysitter machen soll. Doch Mitleid allein reicht noch nicht, denn King legt noch etwas drauf. Er präsentiert uns mit den Illusionen an die sich die Freundinnen kurz klammern. Diesen Enthusiasmus und die Konzentration auf etwas völlig unrealistisches. Sie mieten einen Van, mehrere Zimmer in einem Hotel, Verpflegung und Sprit für eine Tour von mehreren hundert Meilen um Geld von ihren Eltern und den Großeltern ihrer Kinder abzuluchsen? Ganz banal gefragt, wie viel hätte das sein müssen, damit die Fahrt und die Kosten - welche die eben unter Kontrolle gebrachte Kreditkarte wieder tief in den roten Bereich schickt - das rentieren? 500 Dollar, oder mehr?
 
Stephen King präsentiert uns hier keine zwei vom Pech verfolgten dicken Frauen im besten Alter. In meinen Augen zeichnet er hier ein Bild von zwei psychisch gestörten Frauen, welche die Realität und ihre Probleme immer weiter erfolgreich verdrängen. Für mich wirkt das Kindergeschreih wie die fortwährende Entschuldigung. Die Kleinkinder mit Namen aus den Klatschblättern beim Arzt wie die perfekte Ausrede um die Zukunft möglichst auszublenden.
 
Erst als sie beide für ein paar Minuten nicht mehr direkt in den Stress mit ihren Kindern involviert sind, öffnet sich ihr Kopf und zeigt ihnen ihre eigentliche Auswegslosigkeit. Die Fahrt und das Einschlafen der Kinder wirkt so wie eine überharte Therapiestunde aus der beide gleichzeitig nur einen Ausweg sehen.
 
In meinen Augen ist das harter, nicht so leicht zu verdauender Tobak, den King uns hier präsentiert. Dazu kommt - als komplettes Gegenstück - ein älteres Pärchen. Es wirkt fast schon grotesk. Wer weiß, vielleicht haben Literat und Mutter sogar hintereinander in der Schlange des Vermietungsbüros am Flufhafen von Portland gestanden. Vielleicht hat sich einer über den anderen so seine Gedanken gemacht, als er die Art des Wagens gehört hatte.
 
Davon aber abgesehen wirkt die Geschichte von Phil und Pauline fast wie ein Schlag ins Gesicht für Alle, die den beiden Frauen nachfühlen können. Wie kann King nur diesen strahlenden Sonnenschein von Schöngeistern präsentieren? Wie kann er es wagen diese zarten Geschöpfe der höheren Unterhaltung neben diesen trampeligen Hausfrauen mit dicken Hüften und schreienden, in Windeln kackenden Kindern zu erwähnen? Er braucht es als Gegengewicht. Phil und Pauline haben keine Sorgen von dieser Welt. Na klar, sie haben Osteoporose, Arthritis und schütteres Haar. Aber sie haben beide keine Kinder aber Erfolg in der Literaturszene von New York gehabt. Sie sind in der Welt herumgekommen und - im Gegensatz zu den Söhnen der beiden Mütter in deren Zukunft - nicht im Krieg oder sonstigen Gefahren gewesen. Sie haben Stil und zeigen in jeder Situation Souveränität. Sie sind von der Tatsache begeistert, dass ein über 90-jähriger Schriftsteller doch noch lebt, aber gleichzeitig so versnobbt, als sie der Meinung sind, seine Werke wären nicht das Gelbe vom Ei gewesen.
 
King präsentiert uns den wohl besten Unterschied so gut wie zum Schluss. Während Pauline den von Phil angemieteten Cadillac für einen Haufen Plastikschrott hält, würde Brenda die Limousine gerne fahren. Nur leider geht das mit drei Kindern im Schlepptau nicht. Simpel, kurz und doch extrem prägnant.
 
Es sind diese Extreme, die King zum Schluss zusammenführt, obwohl er sie uns schonmal in der Einleitung haarklein präsentiert hat. Die Auswegslosigkeit ist beendet. Die Sorgen und die zukünftigen Qualen sind beendet. Und auf der anderen Seite erleben Phil und Pauline in ihrem Alter nochmal ein Abenteuer. Dass gerade Paulines starke Contenance bröckelt ist da sowohl verständlich als auch passend.
 
Insgesamt nimmt mich die Geschichte für eine ganze Weile mit. Es sind Gedankenspiele, die King hier präsentiert. Was man wohl tun würde, ob es gerecht war, welche Zukunft den Kindern wirklich beschienen war. Ob ich Pauline und Phil wirklich nicht mehr leiden kann, obwohl Beide ja gar nichts mit dem Schicksal der 9 Personen zu tun haben? Ob ich je das Bild aus dem Kopf kriege, dass auch Damen, die älter wie 70 sind, rallig werden können und ihre Partner zum Sex verführen wollen.
{{weiterführend Herman Wouk is Still Alive}}
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