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Herr Roland kam zum finstren Turm

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Das Gedicht Herr Roland kam zum finstren Turm (orig.: Childe Roland to the Dark Tower Came) von Robert Browning, mit einem Umfang von 29 Strophen, war nicht nur Stephen Kings Inspiration für den Dunklen-Turm-Zyklus; es kommt auch konkret in Der Turm (orig. The Dark Tower) vor.

Der Autor King selbst schickt es Susannah Dean, als sie und Roland Deschain drohen, dem Glammer des Außenseiters Dandelo zu verfallen (Näheres über die Umstände der Entdeckung des Gedichts in Kapitel IV/5+6). King hat fünf Strophen eingekreist, die Susannah mit Roland zusammen zu interpretieren versucht. Hier das komplette Gedicht auf Deutsch mit den diskutierten Stellen rechts. (In Klammern finden sich weitere Interpretationen, die im Roman selbst nicht vorkommen.)


Das Gedicht Anmerkungen
Zuerst durchfuhr mich´s: Lug ist, was er spricht,

Der weißgeharrte Krüppel, dessen Blicke
Voll Bosheit schielen, ob die Lüge glücke;
Wie zuckt der falsche Mund, als trüg´ er´s nicht
Den Hohn zu hehlen, der verdammte Wicht,
Ob diesem neuen Opfer seiner Tücke !

Hier erkennen Susannah und Roland Dandelo wieder, der sich

als Collins ausgab und sie in seine Falle locken wollte. (An
anderer Stelle sagte King einmal, der erste Satz habe ihn zu
der Figur des Walter O'Dim inspiriert.)

Wozu stand er mit seinem Stab sonst da,

Als daß er allen Wandrern Schlingen lege,
Die gläubig ihm befragt um Pfad´und Stege ?
Sein schädelgleiches Lachen hört´ ich, sah
Im Geist die Krücke meine Grabschrift, ha!
Kritzeln, zum Zeitvertreib, im staub´gen Wege.

Auch dies beschreibt Dandelo und das, was sie soeben in seiner

Hütte erlebt haben. Susannah begreift, dass dieses Gedicht
Kings Inspiration für seine lange Geschichte war. Roland geht
davon aus, dass Browning Susannah und ihn irgendwie hier
gesehen haben muss, um das schreiben zu können.

Wenn ich nach seinem Wort mich seitwärts wandte

Zu dem verruf´nen Ort, des Wüstenei
Den finstern Turm umschloß. Doch sonder Scheu
Ritt ich, wohin er wies, und in mir brannte
Nicht Stolz noch Hoffnung, da er mich entsandte,
Zur Freude, daß ein Ziel mir nahe sei.

 
Zog ich durch Jahre doch die Welt entlang

Und hatte nie, was ich gesucht, gefunden.
Mein Hoffen war zum Schatten hingeschwunden,
Dem lauter Siegesjubel fremd entklang:
So duldet´ ich´s, daß Lust mein Herz durchdrang,
Als ihm am Ziel sich zeigten Tod und Wunden.

 
Wie wenn ein Kranker an dem letzten Tag

Lebwohl den Freunden sagt mit Mund und Händen
Und tot erscheint und fühlt, die Tränen enden,
Und hört, wie einer all´ aus dem Gemach
Hinausweist, frei zu atmen, da den Schlag,
Der niederfiel, kein Jammer mehr kann wenden.

 
Und man berät schon, ob bei seinen Ahnen

Noch Raum für ihn sei, wann dem toten Leibe
Bestattung werd´, und ob man´s rasch betreibe;
Von Kränzen spricht man, Schleifen, Trauerfahnen -
Und er vernimmt´s und fleht, daß er die Bahnen
Solch zarter Lieb´ nicht kreuz´ - und leben bleibe.

 
So war auf dieser Leidensfahrt so lange

Ich umhergeirrt, so oft schon war Mißlingen
Mir prophezeit gleich allen, die zu dringen
Zum finstern Turm verflucht in heißem Drange,
Daß fest ins Aug´ ich sah dem Untergange,
Konnt´ ich den Tod der Helden nur erringen.

(Rolands lange Suche und die häufigen Wiederaufnahmen

seiner Reise werden angedeutet. Prophezeiungen spielen
bei Rolands Wanderungen ebenfalls eine wichtige Rolle.)

Still wie Verzweiflung schaut ich nicht zurück,

Zum Pfad einlenkend, nach des Zwergs Grimasse.
Schon neigte sich der Tag, der trübe, blasse,
Dem Ende zu, doch kündend Mißgeschick,
Schoß er noch einen grimmen roten Blick
Zum Blachfeld, ob es fest sein Opfer fasse.

 
Doch als mein Roß ein-, zweimal ausgeschritten

Und ich mein Heil dem Blachfeld sah verpfändet,
Da hab´ ich einmal noch den Blick gewendet
Zur sichern Straße, drauf ich hergeritten:
Ich fand sie nicht. In grauer Ebne Mitten
hielt ich, und jedes Zaudern war verschwendet:

 
Ich mußte vorwärts. Nie noch sah mein Aug´

So ärmlich, sonder Adel die Natur:
Nicht Baum noch Blume sog hier Nahrung, nur
Trespen und Wolfsmilch und gemeiner Lauch,
fortwuchernd rings nach niedern Unkrauts Brauch ;
Die Klette wäre Kön´gin solcher Flur.

 
Hob sich ein Distelstengel aus den Reih´n

Der Brüder war der Kopf ihm abgerissen:
Des Ampfers rauhe Blätter schau! zerschlissen,
Durchlöchert, daß der letzte grüne Schein
Verschwunden war. Drang wohl ein Tier hier ein,
Das fühllos sei und zersplissen ?

 
Spärlich das Gras, wie Aussatzkranker Haar ;

Im Kote, der mit Blut verknetet schien,
Stak hier und da ein kläglich Hälmchen drin.
Ein blindes Pferd, des Glieder steif und starr,
Stand staunend, wie´s hierher verschlagen war:
Alt und verbraucht ließ es der Teufel ziehn.

Eine deutliche Anspielung auf Dandelos krankes Pferd Lippy.
Ob es noch lebt ? Es stand vielleicht seit Stunden,

Den roten hagern Hals weit vorgereckt,
Von rost´ger Mähne dicht das Aug´ verdeckt ;
War je solch Grau´n mit solchem Leid verbunden ?
So tiefen Abscheu hatt´ ich nie empfunden:
Es war verdammt, sonst hätt´ es Weh geweckt !

Noch einmal Lippy.
Ich schloß die Augen, kehrend sie nach innen.

Wie Wein der Krieger fordert vor dem Streiten,
Rief ich nach einem Trunke froh´rer Zeiten,
Daß Kraft mir sei zu kühnlichem Beginnen.
Dem Kämpfer ziemt´s, bevor er ficht, zu sinnen:
Ein Schmack des alten Glücks hilft fürder schreiten.

 
Jung Cuthberts blühend Antlitz rief ich wach,

Um das die goldnen Locken fröhlich wallten ;
Mir war´s, als legt´ er, um mich festzuhalten,
Zärtlich den Arm in meinen, wie er pflag,
Der liebe Bursch.. Ach, eine Nacht der Schmach !
Die Glut erlosch, mein Herz fühlt´ ich erkalten.

Nicht nur fällt der Name von Rolands Jugendfreund

Cuthbert (Allgood); Roland erkennt in diesem Vers
den Streit wieder, den sie in Mejis wegen
Susan Delgado hatten, was ihr Ka-Tet auf
eine harte Probe stellte.

Der Ehre Seele, Julius, sah ich dann,

So frank, wie da man ihn zum Ritter schlug.
Was Helden wagten, wagt´er, kühn wie klug...
Ein Wandel ! Pfui ! Der Henker hängt den Bann
Ihm vor die Brust. Die Mannen spei´n ihn an,
Und den Verräter trifft des Volkes Fluch !

 
Besser dies heut als solch vergangner Graus.

Zurück zum Pfad, den schon die Nacht umgraute !
Nichts regte sich, soweit das Auge schaute.
Traut auch der Schuhu nicht, die Fledermaus
Sich her? Da - aus dem Sinnen riß heraus
Ein Etwas mich mit unheimlichen Laute.

 
Ein kleiner Fluß durchkreuzte jäh den Pfad,

Wie eine Schlange plötzlich dich umzischt ;
Kein Bach, der träum´risch sich der Dämmrung mischt:
Er schoß dahin, dem glüh´nden Huf ein Bad
Des höllischen Feinds, der flockenschäum´ge Gischt
Des schwarzen Strudels raste früh und spat.

 
So klein, und doch so giftig! Rings am Rande

Knieten verhärmte Erlen im Verscheiden,
Kopfüber stürzten sich zerzauste Weiden
Verzweifend in die Flut vom sichern Lande,
Doch er, der sie versenkt in Weh und Schande,
Stürmte vorbei, nicht achtend ihrer Leiden.

 
Wie ich hindurchritt, wähnt´ ich immerdar

Auf eines Toten weiche Wang zu treten.
Ich stieß den Speer zum Grund in brünst´gem Beten
Und traf, so schien´s, der Leiche Bart und Haar...
Vielleicht, daß es nur eine Ratte war,
Doch klang´s, als schrie ein Kind in Todesnöten.

 
Aufatmet´ ich, wie ich das Ufer fühlte -

Ein besser Land ! Vergebliches Verlangen!
Wer waren sie, die hier so wild einst rangen,
Daß ihr Gestampf den feuchten Grund zerwühlte
Zum Sumpf, da ihre Wut schier nie verkühlte,
Wie wilder Katzen hinter glüh´nden Stangen ?

 
Wo blieb das Ziel? Ob ich es nimmer?

Nichts in der Ferne als die fahle Nacht!
Nichts, was den Pfad mir wies! Wie ich so dacht´,
Da traf ein ries´ger Vogel, ausgespannt
Die schwarzen, drachengleichen Schwingen, sacht
Mein Haupt. War der zum Führer mir gesandt?

 
Ich schaut´ empor. Da war mit einem Male

Kein Fleckchen mehr der Ebne zu erblicken,
Nur Berge rings, darf dieser Name schmücken
häßliche Höh´n und Haufen, grau und kahl -
Wie kam ich nur hinein in dieses Thal?
Wie sollte mir´s, ihm zu entrinnen, glücken ?

 
Doch meint´ ich fast, ich wär´ einmal vor Zeiten

Auf solchem Unheilspfade schon gegangen,
Vielleicht im Traume. Dicht und dichter drangen
Die Hügel her. Hier gab´s kein Vorwärtsschreiten!
Da rasselt was, als hört´ ich niedergleiten
Ein Fallenthor. Bei Gott, ich war gefangen!

 
Und glühend kam es über mich im Nu:

Dies war der Ort! Zur Rechten dort zwei Höh´n,
Geduckt wie Stiere, die den Feind erspähn -
Ein öder Berg zur Linken: Schläfer du!
Du stehst am Ziel und träumst in träger Ruh´,
Und gabst ein Leben doch, um dies zu sehn!

 
Was lag inmitten als der Turm der Schrecken?

Blind wie ein Narrenherz, rund, unzerspellt,
Aus braunen Quadern, einzig auf der Welt...
So zeigt der Sturmes Elf im Meeresbecken
Das Riff dem Schiffer, höhnend ihn zu necken,
Just da ihm krachend Bug und Kiel zerschellt.

 
Konnt´ ich nicht sehn? O ja! Schier wollt´ es tagen

Zum zweiten Mal: aus Wolken brach heraus
Der Sonne letzter Strahl, zu schau´n den Graus.
Die Höh´n, wie Riesen auf em Anstand lagen,
Haupt in die Hand gestützt, das Wild zu jagen:
"Stoßt zu und macht dem Tierlein den Garaus."

 
Nicht hören? O, laut klang mir´s in den Ohren

Wie Glockenschall. Die Namen all der Scharen
Vernahm ich, die vor mir des Weges gefahren,
Wie jener kühn war, dieser auserkoren
Vom Glück, und der vom ruhm - hin und verloren
Die Helden alle weh! seit langen Jahren!

 
Sie standen, bleiche Schemen, in der Runde,

Des Endes harrend, starrend unverwandt
Der Opfer jüngstes an. Im Flammenbrand
Sah und erkannt´ ich all´ in dieser Stunde,
Doch keck führt´ ich mein Hifthorn bis zum Munde

Und blies: "Zum finstern Turm kam Herr Roland! "
(Als Roland endlich am Dunklen Turm ankommt, ruft er

die Namen all seiner (teils gefallenen) Freunde; doch dieses
Mal kann er nicht in das Horn der Deschain stoßen. Vielleicht
bei seiner nächsten Aufnahme?)

Anmerkung

Wir (www.stephen-king.de) sind stolz, weltweit die erste King-Fanpage zu sein, die die deutsche Fassung aus dem Jahre 1894 von Edmund Ruete, Bremen aus dem Buch: "Ausgewählte Gedichte von Robert Browning" zur Verfügung stellen kann. (wir haben es geschafft dank Ralph Kramers Recherchen. Er ist jetzt auch der glückliche Besitzer einer Originalausgabe)