Moral: Inhaltsangabe

Inhaltsangabe zu Moral

Cover der Zeitschrift, in der die Geschichte erschien.

Stephen Kings Kurzgeschichte Moral ist nicht weiter unterteilt; die hier zu findenden Zwischenüberschriften dienen somit lediglich der Orientierung des Lesers.

Auf der Feuertreppe

Chad Callahan und seine Frau Nora stecken in Finanznöten. Chad ist Lehrer, Nora Krankenschwester, zusammen kommen sie gerade aufs Nötigste, sodass Chad konstant eine Liste mit roten und schwarzen Zahlen führt – die derzeit unter dem Strich rot endet.

Doch an jenem Tag ist etwas anders: Nora ist früher zu Hause und benimmt sich seltsam abwesend – draußen auf der Feuertreppe, wohin Nora ihren gerne einmal eine Zigarette rauchenden Mann des Öfteren verbannt, offenbart sie ihm, dass sie eventuell einen Ausweg aus ihren Nöten gefunden hat.

Und einen Ausweg kann das seit sechs Jahren verheiratete Paar dringend brauchen: Chad hat nur einen Aushilfsvertrag (derzeit vertritt er etwa eine schwangere Lehrerin); Nora verdient zwar noch mehr als er, da sie mit dem ehemaligen Reverend George "Winnie" Winston 36 Stunden in der Woche einen gut zahlenden Privatpatienten betreut ... dennoch reicht es nicht, um wie erwünscht eine Familie zu gründen. Heute ist Nora früher zu Hause, weil Winnie sie heimgeschickt hat, um ihr Zeit zu geben. Zeit, um über sein Angebot nachzudenken.

Bevor sie Näheres enthüllt, spricht sie Chad auf sein Projekt an, ein Buch über seine Erfahrungen als Aushilfslehrer zu schreiben. Dies geht nur mühsam voran; Nora muss sich sogar häufig zurückhalten, ihm nicht ins Gesicht zu sagen, dass er seine Zeit verschwendet. Drei Kapitel sind erst fertig ... doch immerhin hat ein Buchagent namens Edward Ringling verhaltenes Interesse am Rest gezeigt. Doch seit dieser Nachfrage im Mai, ist es, da der Lehrerjob ihn voll in Anspruch nimmt, nicht vorangegangen mit Chads Werk – und nun ist schon September. Zudem glaubt Chad, dass er noch mindestens acht Monate brauchen wird, bis er ein fertiges Produkt vorzuzeigen hat. Aber immerhin sprechen sie von 100.000 Dollar; das zumindest hatte Ringling in Aussicht gestellt. Genug für den erwünschten Neustart in Vermont.

Nora verblüfft Chad völlig, als sie ihm enthüllt, dass Winnie ihr genau das Doppelte geboten hat. Es ist an der Zeit, Chad mitzuteilen, weshalb sie hier so auf Kohlen sitzt.

Vollmacht für eine Sünde

Chad ist außer sich, als er Winnies Vorschlag hört – doch dann ruft er sich in Erinnerung, dass er über den Junggesellen, der drei Jahre nach seiner Pensionierung einen Schlaganfall erlitten hatte, kaum etwas wusste, wie hätte er ihn also einschätzen können?

Winnie kann nur noch schwer laufen und hat gelegentliche Sprachprobleme, ansonsten aber ist er noch halbwegs glimpflich davongekommen. Noras Aufgabe ist es nicht nur, sich um Dinge wie seine Medikamente und den Blutdruck zu kümmern, sondern ihn auch was seine Beweglichkeit betrifft wieder etwas aufzupäppeln. Ohne dass Nora dies realisiert hätte, lernt Winnie sie im Lauf der Zeit immer besser kennen und einzuschätzen – ein wichtiger Grund, warum er gerade ihr sein Angebot unterbreitet. Er weiß von ihren Geldproblemen und glaubt, Nora zu durchschauen. Somit beginnt er seinen Vorschlag auch mit den Worten: "Würden Sie gerne 200.000 Dollar verdienen?" Nora ist sofort ganz Ohr, besonders als Winnie klarmacht, dass es hier um Bargeld geht.

Schnell versichert Winnie ihr, dass es ihm nicht um Sex geht, zumindest nicht vordergründig – aber dreht sich nicht laut Freud alles um Sex? Um sein Angebot zu erklären, muss Winnie etwas ausholen und ein wenig von seinem Leben preisgeben. Er blickt – ohne dies in irgendeiner Hinsicht zu bewerten – auf ein weitgehend ereignisloses, Gott ergebenes Leben zurück. Stets hilfsbereit und an vielen wohltätigen Projekten engagiert – ein Vorzeigegeistlicher. Doch erst als die Krankheit ihn in die eigenen vier Wände zwang und ihn zum Nachdenken brachte, wurde ihm klar, dass er nie eine der Sünden begangen hat, vor denen er in seinen Predigten warnte. Und das bereut er nun.

Denn er möchte eine Sünde begehen. Nicht eine des Wortes oder der Gedanken, sondern eine Sünde der Tat, wie er es nennt. Er selbst aber ist dazu nicht mehr in der Lage – deshalb muss Nora es für ihn tun. Dies, so Winnie, verdoppelt noch seine eigene Sünde, da er sie zum Gehilfen macht; er gibt ihr die Vollmacht zur Sünde (orig.: "sin by proxy"). Es wird eine vergleichbar kleine Sünde sein, derentwegen sie allenfalls kurzzeitig im Gefängnis landet, wenn überhaupt. Und im Gegenzug gibt es 200.000 Dollar.

Noras erste Reaktion ist augenfällig: Sie wird es nicht tun, egal, was es ist. Und doch hält sie die pure Neugierde hier. Was ist es, was sie für ihn tun soll?

Später erzählt sie Chad alles und ihre Meinungen decken sich: Sie werden sich darauf nicht einlassen. Die ganze Nacht hindurch können die beiden aber kein Auge zumachen und fangen immer wieder das Diskutieren an, obwohl sie ihre Entscheidung doch schon getroffen zu haben schienen. Absurderweise zählen sie wieder und wieder die Nachteile auf: Sie müssten Winnie wegen des Geldes voll und ganz vertrauen; die Aktion könnte ihre Ehe ruinieren oder Nora ins Gefängnis bringen ... Dann aber grübelt Nora über eine Verkleidung und eine Fluchtmöglichkeit nach der Tat nach – und würde sie jemals leichter an soviel Geld kommen?

Und auf einmal, als die Lust nach Sex sie beide überkommt, ist es entschieden: Sie werden es tun, Chad weiß schon, von wem er sich eine Videokamera leihen wird, da Winnie alles auf Band haben will.

Der Schlag

Am nächsten Tag teilt sie Winnie mit, dass sie seine Sünde begehen wird. Allerdings will sie sich rückversichern: Niemand wird zu Schaden kommen. Winnie stimmt dem zu, verlangt aber, dass auf alle Fälle Blut fließen muss.

Chad und Nora planen die Sache zusammen und entscheiden sich als Tatort für den Forest Park in Queens. Bis es wirklich soweit ist, sind beide aufgedreht und können nicht genug voneinander bekommen – die bevorstehende Sünde macht sie beide äußerst heiß aufeinander. Doch im Gegenzug geht Noras Appetit zurück und sie nimm fast fünf Kilo ab. Und wenige Wochen später ist es dann soweit.

Nora verkleidet sich in der Tat – sie färbt sich die Haare rot, trägt eine Sonnenbrille und eine Baseballkappe. Chads Job ist es, alles auf Film festzuhalten und sie danach bei einem vereinbarten Ort zu treffen. Nora geht zu einer Parkbank bei einem Spielplatz, um die Lage auszukundschaften. Als sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr kämmt, ist dies das Signal für Chad. Er beginnt zu filmen.

Alles scheint zu laufen wie geplant – und dennoch, als Chad nach Hause kommt, ist er verunsichert: Konnte Nora fliehen? Wurde sie verhaftet und hat alles gestanden? Aber sie ist da, schon umgezogen und noch immer voll auf Adrenalin. Sie bombardiert ihn mit Fragen: Hat er alles gefilmt? Ist der Junge okay? Sie hat schließlich fester zugeschlagen als sie dies beabsichtigte. Sie kann es nicht fassen: Sie hat soeben einen Vierjährigen für Geld geschlagen. Doch Chad hat den Jungen aufstehen sehen und spielt zum Beweis das Video ab.

Da ist Nora, die auf den Jungen zugeht und ihm mitten auf den Mund schlägt, wobei er einen Zahn verliert. Nora flieht, schließlich steht der Junge wieder auf, verwirrt und laut brüllend, mit blutenden Lippen und einer blutenden Nase. Aber es ist nicht schlimmer als ein alltäglicher Spielplatzunfall sein könnte.

Wieder und wieder will Nora das Band sehen, bald fasziniert von sich selbst und dem, was sie da soeben getan hat. Und dann passiert etwas Seltsames: Die Lust überschwemmt sie.

"Schlag mich!"

Im Bett ist sie wild wie nie zuvor, fordert ihn auf, er solle sie schlagen, was er tut, aber noch fester, sodass er ihr die Lippe blutig schlägt, bevor er zur Besinnung kommt. Doch genau das wollte sie: Während sie sich ihr eigenes Blut ins Gesicht schmiert, wird sie von einem gewaltigen Orgasmus geschüttelt.

Nora zeigt Winnie das Video, er übergibt ihr das Geld in einer Federal Express Schachtel. Das war es für Nora: Sie kündigt auf der Stelle, will mit Winnie nichts mehr zu tun haben. Winnie will sie beruhigen; niemand wird sie je wegen des Vorfalls auf dem Spielplatz schnappen – und er durchschaut sie, denn er hat sie beim Anschauen des Videos beobachtet und erkannt, dass sie Gefallen an ihrer Tat gefunden hat.

Sie geht und fragt ihn, wie er mit seiner Sünde leben wird. Er tut das lachend ab: Selbst ein Sünder wie Petrus fand den Weg in Gottes Reich. Auf Noras Frage, ob Petrus ein Videoband hatte, um es immer wieder abzuspielen, fällt Winnie allerdings nichts ein. Als er sie wenig später noch einmal anruft und sie bittet, zu ihm zurückzukehren, legt sie einfach auf.

Das Leben geht weiter; Chad kommt mit seinem Buch voran, Nora kümmert sich mittlerweile um ihre Nachbarin Mrs. Reston. Doch Nora ist ungeduldiger geworden, fühlt des Öfteren den Drang, die melancholische Mrs. Reston zu schlagen. Eines Tages aber taucht die Polizei bei Nora auf.

In einem ersten Impuls ist sie bereit, alles zu gestehen, bis sie begreift, dass Officer Abromowitz einer Diebstahlserie nachgeht und sie bittet, sich einige Fotos anzusehen, auf denen sie niemanden wieder erkennt. Die Erleichterung bricht sich eine Bahn im Ehebett, als Nora Chad erneut auffordert, sie zu schlagen. Als er nicht will, schlägt sie ihn, bis er zurückschlägt.

Stationen des Zerfalls

Im Januar kaufen sie sich ein Haus in Vermont; der Immobilienmaklerin fällt auf, dass Mrs. Callahan ein Veilchen hat – sie sei auf Eis ausgerutscht, sagt sie.

Als Chad eines Abends alleine ins Kino geht, ruft Nora Officer Abromowitz an. Der Sex ist gut und wild, doch weigert sich der Polizist, sie zu schlagen.

Ende Februar schließlich ziehen Chad und Nora um – doch am Tag zuvor erhalten sie noch eine Hiobsbotschaft: Winnie ist an einer Überdosis Tabletten gestorben. Während seine Zugehfrau Mrs. Granger davon ausgeht, dass er Selbstmord begangen hat, will Nora glauben, dass er in seiner Verwirrung einfach nur zu viele Medikamente nahm; ihre wahre Sorge aber gilt dem Videoband. Chad will sie beruhigen: Niemand hat einen Grund, ein herumliegendes Videoband anzuschauen und selbst wenn, wird niemand Nora erkennen. Nora ist nicht beruhigt, im Gegenteil muss sie dagegen ankämpfen, Chad ihr Knie zwischen die Beine zu rammen. Stattdessen schlägt sie ihn. Er schlägt nicht zurück.

Chad beendet sein Buch und schließt in New York City einen Vertrag darüber ab. Er kommt betrunken zurück und berichtet stolz, dass er soeben 40.000 Dollar gemacht hat. Als sie sich darüber mokiert, dass sie das Fünffache im wahrsten Sinne des Wortes auf einen Schlag gemacht hat, bricht er ihr mit einem Faustschlag die Nase. Der Streit eskaliert weiter, als Nora ihn auffordert, sie weiter zu schlagen und Chad richtig errät, dass sie ihn betrogen hat. Durch die Schmerzen in Ekstase behauptet sie, mit einem Dutzend Männer gevögelt zu haben – in Wirklichkeit waren es "nur" Abromowitz und ein Elektriker.

Er verlässt sie und zieht nach New York. Bald ist der Kontakt nur noch sporadisch. Nora kümmert sich um die offizielle Scheidung und behält Winnies gesamtes Geld.

Im folgenden Sommer, der voll zu Noras Zufriedenheit verläuft, während Chad offenbar kläglich dahintümpelt, stößt sie auf ein Buch, das sie auch in Winnies Bücherschrank gesehen hatte: Die Grundlage der Moral. Sie liest es den Sommer über, ist aber am Ende enttäuscht: Es enthält nichts, was sie nicht schon weiß.


V E Artikel über Moral
KurzgeschichteInhaltsangabeRezension • Coverpage
Charaktere: Chad und Nora CallahanGeorge "Winnie" WinstonAbromowitzJody AndersAnita BidermanMr. CardelliMrs. GrangerCharlie GreenMrs. RestonEdward Ringling