Schlafwandler: Rezension (O. Materne)

Eine Rezension zum Film Schlafwandler (orig. Sleepwalkers)

Film-Rezension ©2005 by O. Materne

Leider gibt es keinen Roman zu dieser Verfilmung eines Original-Drehbuches von King. In den frühen Neunziger Jahren entstanden, kann der Film unter Kings Werken zum gehobenen Durchschnitt gezählt werden. Inspiriert wurde King zu dem Stoff interessanterweise, als er seinen Sohn zu einem Date aufbrechen sah.

Den geheimnisvollen Mädchenschwarm Charles umgibt ein eigenartiges Geheimnis, das er mit seiner Mutter Mary teilt. Seine Mutter legt Wert darauf, dass er bald eine neue Freundin findet, deren Lebensenergie sie gerne - im wahrsten Sinne des Wortes - schlucken möchte. Auserkoren wird die verliebte Tanya, die passenderweise auf einem Friedhof beim ersten Date dran glauben soll...

Eigentlich kann man die Handlung nur als sehr dünn bezeichnen, im Grunde repräsentiert das Ganze eine Revenge-Geschichte - ein Italo-Western als Exot unter den Horrorfilmen, mit Katzen als Rächern. Als vielleicht meistüberraschendes Ereignis des Films sei die Tötung eines lustigen Polizisten genannt. Aber die vielleicht größte Leistung des Regisseurs besteht darin, seine Monster sympathisch zu zeigen. Gelegentlich ertappt sich der Zuschauer, dass er mit den Monstern leidet und ihnen eher die Daumen drückt als den feindlichen Miezekatzen. Sind etwa die als „gut“ dargestellten Katzen die eigentlichen Monster?

Dass der zunächst freundliche und später monströse Charles mit Brian Krause, dem Hauptdarsteller aus der Romanze „Die Rückkehr zur blauen Lagune“, besetzt wird, verrät einen gewissen Einfallsreichtum. Über Erfahrung im Horror-Genre verfügt Alice Krige, welche die Rolle Marys spielt. Sie hatte nämlich bereits in „Rache aus dem Reich der Toten“ einen Geist gespielt und das gar nicht schlecht gemacht. Damals hatte sie Angst vor Wasser, jetzt sind es Katzen, die sie meiden muss. Schauspielerisch ragt Mädchen Amick als die verfolgte Unschuld Tanya hervor, auch wenn ihre Rolle nicht besonders tiefsinnig angelegt sein mag. Hören lassen kann sich die Musik.

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Sinn für Details ist ebenfalls vorhanden: Als Tanya ihrem Schwarm ihr Zimmer zeigt, gilt ihre größte Sorge der schnellen Beseitigung ihrer herumliegenden Unterwäsche. Seltsam nur, dass es erst nach den gegenseitigen Kurzbesuchen der beiden Heldenfiguren zu einem ersten richtigen Treffen - und dann noch auf einem Friedhof - kommen darf.

Zu den eigentlichen Highlights zählen die Special Effects. Nicht nur die Verwandlungsszenen, sondern auch die Dressur der Katzen und andere Tricks kommen gelungen rüber, insbesondere die Leistung der Heldenkatze Clovis, die manche menschliche Schauspielerleistung übertrifft. In dem Zusammenhang könnte bemerkenswert sein, dass die eigentliche Maskerade der Schlafwandler in voller Montur weniger überzeugend wirkt. Nett, dass es wieder einen kleinen Gastauftritt von Stephen King zu registrieren gibt, diesmal als Parkwächter, wobei King gemeinsam mit seinen Kollegen Clive Barker und Tobe Hooper in anderen Mini-Rollen zu sehen ist. Eine weitere selbstironische Szene spielt zu Beginn als Anspielung auf eine ähnliche Szene aus „Carrie“, als ein melancholisches Gedicht verlesen wird.

Eine Frechheit ist die „neu bearbeitete Fassung“ der VHS-Version, die ab 16 Jahren frei gegeben ist und das eigentlich ganz spannende Finale mit wirren Schnitten unverständlich macht. Da hat selbst die TV-Version mehr zu bieten.

Was die Kritiken betrifft, so waren Urteile wie „Nein danke!“ zu hören, aber auch: „Der Film wird sicher als einer der besseren und erfolgreicheren King-Filme in die Geschichte eingehen.“ Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Es gab sicher schwächere Geschichten, aber viel wird nicht erzählt.

6 von 10 Punkten