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Todesmarsch: Rezension

3.729 Byte hinzugefügt, 09:24, 28. Sep. 2018
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Aber King schafft es einem die einzelnen Figuren näher zubringen. Man erfährt nach und nach mehr über die Beweggründe. Freundschaften entwickeln sich. Nicht alles wird erklärt. Das Ende kann man verschieden interpretieren. Fand ich gut, so kann sich jeder seine eigenen Gedanken machen.
 
==[[Benutzer:Horaz Klotz|Horaz Klotz]] (5 / 5)==
 
Auf den ersten Blick ist Todesmarsch einfach nur ein verdammt gutes Konzept. Eine Spielshow, bei der reihenweise Jugendliche abgemetzelt werden, das zieht irgendwie immer - was nicht zuletzt der Erfolg der Hunger-Games-Reihe beweist. Psychologisch wäre es ganz interessant zu erforschen, was genau uns so an diesem Motiv fasziniert. Vielleicht die beruhigende Vorstellung, dass der Tod hier eben nicht zufällig ist - wie in Kriegsgeschichten oder im echten Leben - sondern menschgemachten Regeln folgt. "Bleib stehen und du stirbst" heißt eben immer auch "Geh weiter und dir passiert nichts". Wahrscheinlich spielt auch eine gehörige Portion Voyorismus mit rein - der Kitzel, Menschen in emotionalen Ausnahmesituationen zu erleben und so - langsam aber sicher - zu den ursprünglichsten Instinkten vorzudringen.
 
Was die Geschichte von anderen Todes-Gameshows abhebt, ist genau was andere hier kritisieren. Die Kandidaten werden nicht mit vorgehaltener Waffe gezwungen am Marsch teilzunehmen und anders als im ähnlich gelagerten Menschenjagd gibt es auch keine dramatische Hintergrundgeschichte, keine sterbende Familie die unbedingt Geld braucht. Die Läufer können - bis zu einem Stichtag - jederzeit vom Lauf zurücktreten und in ihr normales Leben zurückkehren. Und warum sie das nicht tun, wissen sie selber nicht. Für mich ist gerade dieses scheinbare Paradox ein Geniestreich. Denn es hat eben keinen Sinn am Lauf teilzunehmen. Der große Preis ist den meisten bald egal. Es ist ein Abenteuer, es gibt die berühmten 15 Minuten im Rampenlicht - und für manche reicht das schon. Damit verwischen die Grenzen zwischen Gut und Böse angenehm. Ist der Major schuld, wenn jedes Jahr 99 junge Männer freiwillig in den Tod gehen. Sind die Soldaten schuld, wenn sie die vorher vereinbarten Regeln durchsetzen? Oder trifft die Zuschauer Schuld, die sich am Wegesrand die Beine in den Bauch stehen und die Läufer zu Promis machen? Das diese Fragen in den Raum gestellt, aber nie beantwortet werden, ist eine der großen Stärken des Buches.
 
Die Story selbst läuft dann erfrischend konsequent und schnörkellos. Gedruckt funktioniert das schon gut, aber ich stelle mir vor, dass ein Hörbuch - besonders während einer ausgedehnten Wanderung - eine ganz eigene Atmosphäre entfalten könnte. Natürlich können in einem so engen narrativen Rahmen nicht alle Figuren besonders ausgebaut werden. King versucht das auch gar nicht, sondern beschränkt sich von Anfang an auf eine übersichtliche Handvoll. Der Leser kann den Jugendlichen dann in aller Ruhe bei allen Stufen des emotionalen Zusammenbruchs zuschauen. Vom Scherzen, zur Wut, zur Verzweiflung und schließlich - Resignation. Dabei nimmt uns Garraty mit auf eine Reise zu seinen schlimmsten Ängsten, größten Sehnsüchte und wird tiefsten Geheimnissen. Dabei haben wir es nicht nur mit einem unreliable narrator zu tun - nach ein paar Tagen unterwegs kann man keiner der Figuren mehr trauen. Wenn sie Verschwörungen stricken und Pläne schmieden tappen sie genauso im Dunkeln wie der Leser, der hinter all dem Sterben irgendeinen Sinn sucht. So habe ich zum Beispiel auch nie daran geglaubt, dass Stebbins wirklich der geheime Sohn des Majors ist. Mag sein, dass er selbst daran geglaubt hat, entweder seit Jahren oder im Delirium seiner letzten Stunden, aber als tatsächlicher Plotpunkt wirkt die Verknüpfung zu glatt für ein Buch, das sich bis dahin so erfolgreich gegen jede Form von tieferem Sinn und großer Verschwörung gesträubt hat.
 
Fazit: Ein großartiges, eiskaltes Buch, in dem King genauso gnadenlos sein kann, wie es sein Bachmann-Alter Ego möchte. Eine geniale Idee, grandios umgesetzt.
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