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Briefe aus Jerusalem: Rezension

2 Byte entfernt, 12:08, 20. Feb. 2019
Horaz Klotz (4 / 5)
==[[Benutzer:Horaz Klotz|Horaz Klotz]] (4 / 5)==
King und Lovecraft - das ist immer eine Kapitel für sich. Erst neulich habe ich ein Interview mit King gehört, in dem er sich ein bisschen abfällig über den Horror-Altmeister geäußert hat. Er wäre als Kind großer Fan gewesen, aber in seiner Jugend dann herausgewachsen, als er "richtige" Literatur entdeckt hätte. Und überhaupt kann dieser Lovecraft keine echten Szenen schreiben und verlässt sich immer zu stark auf die immer gleichen Grusel-Tricks. Trotz diesem ziemlich vernichtenden kritischen Urteil scheint unser Autor nie so ganz von Lovecraft losgekommen zu sein und bedient sich immer wieder - mal mehr mal weniger offensichtlich - in dessen Fundus namenloser alter Schrecken. Das geht manchmal gut, besonders wenn er sich auf Andeutungen über das geheime Grauen hinter der Welt unserer zunehmend wahnsinnigen Erzähler beschränkt (''N.''). Und manchmal nicht, wenn er mitten im schönsten Spannungsbogen plötzlich in einen Kampf mit bizarren Tentakel-Fühler-Monstern stolpert (''Revival''). Sobald ich wusste wohin die Reise ging, war ich bei ''Briefe aus Jerusalem'' also ein bisschen vorsichtig, aber - Entwarnung - hier funktioniert die King-Lovecraft-Mischung mal wieder ziemlich gut.
Zu Anfang ist die Briefroman-Form erstmal etwas gewöhnungsbedürftig. Aber was für ''Dracula'' und ''Frankenstein'' gut genug war, kann natürlich auch bei King funktionieren. Der Nachteil ist, dass es mir irgendwie schwerer fällt mich in unseren Erzähler hineinzuversetzen, wenn ich immer nur lesen kann, was er freiwillig von sich preisgibt. Den Diener Calvin trifft es noch schlimmer, er bleibt so sehr in der Rolle des anonymen nützlichen Gehilfen, dass mich sein Tod im großen dramatischen Finale ziemlich kalt lässt. Andererseits ist die Briefform natürlich eine gute Entschuldigung für all die kleinen Fehler in Boone-Stammbaum, die unserem Autor mal wieder unterlaufen sind. Denn wer kann schon sagen ob der gute Charles immer alle Familienverhältnisse richtig auf dem Schirm hatte und sich nicht mal in einer Jahreszahl vertan hat. Wobei mir die ganzen Ungereimtheiten, die hier auf der Seite aufgelistet werden, beim lesen sowieso nicht aufgefallen sind.
Kritisch wird das ganze natürlich, sobald klar wird, dass unser fanatischer Inzest-Patriarch in diesem Fall mal wieder richtig lag und tatsächlich einen schrecklichen Riesenwurm entfesselt hat (Was wohl Freud dazu sagen würde?). Hier könnte das ganze leicht in albernen Monster-Horror umschlagen und die recht schaurige Atmosphäre der verlassenen Kleinstadt ruinieren. Aber King kriegt die Kurve - der Wurm wirkt mächtig und fremdartig genug, um als echte kosmische Bedrohung durchzugehen. Daneben war das Wiedersehen mit James Boon als untotem Wurmwärter ziemlich fesselnd beschrieben. Dafür hätte ich auf die Versammlung der Boones als Geistergemeinde verzichten können. Und auch die ganze Geschichte um das Buch, das man zerstören muss, um den Wurm in die Flucht zu schlagen kam mir ein kleines bisschen sehr Kinderbuch-Horkrux-mäßig vor. Trotzdem - besonders wenn King den erzählerischen Kreis schließt und ein Jahrhundert später den nächsten Boone ins Verderben laufen lässt, funktioniert das ganze gut genug für 4 Punkte.
Fazit: Unser Autor liefert mal wieder eine geniale Vorgeschichte voller Lovecraftscher-Andeutungen und Geheimnisse und hält sich beim großen Finale gerade genug zurück, um die Spannung zu halten. Dafür dass King angeblich so wenig für viele Probleme mit Lovecraft übrig hat, kriegt er seinen Stil ziemlich gut hin.
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