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Carrie: Rezension

4.722 Byte hinzugefügt, 23:52, 5. Mai 2016
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Ein wunderbar zu lesender Roman, wenn auch noch nicht mit der Kingschen Detailgenauigkeit und vielschichtigen Figuren.
== [[Benutzer:Tiberius|Tiberius]] (5 / 5)==
Kann man einen Künstler nach seinem ersten Werk beurteilen? Kann man ohne Weiteres zum Anfangspunkt einer über 40 Jahre andauernden Karriere zurückkehren und ganz objektiv den zuerst veröffentlichtten Roman besprechen, ohne die Fülle von Nachfolgern im Hinterkopf zu haben? Wohl kaum. Daher konzentriere ich mich hier nicht auf alle Punkte die mir einfallen. Für episches ist vielleicht an anderer Stelle Platz.
''Carrie'' ist in meinen Augen Kings Prototyp für viele Dinge, die er erneut in späteren Geschichten einsetzen wird. Es ist gleichzeitig einzigartig in seiner Art und Weise, wie uns King als Leser mit dem Schrecken auseinandersetzt. Denn schon nach der Hälfte des äußerst kurzen Romans (''[[Pin Up]]'', eine Novelle, ist nur unwesentlich kürzer als der Roman), wird klar, dass wir uns als Leser auf dem besten Weg in ein Dilemma befinden. King konfrontiert uns mit Carrie White und stellt sie uns als Opfer dar. Ein Opfer, welches nach dem Ende ihrer Tat mehrere hundert Menschenleben auf dem Gewissen haben wird. Eine junge Frau, die schon seit dem ersten Tag der Grundschule gehänselt und drangsaliert wird. Deren einziger Wunsch es ist, dazuzugehören. Doch würde sich das wirklich lohnen? Denn wie hoch ist denn der Lohn ''dazuzugehören'', wenn selbst die Aussichten der erfolgreichen Schüler sich im Umkreis weniger Kilometer um Chamberlain bewegen? King lässt es Tommy Ross deutlich ausdrücken. Selbst er, der intelligente Sportlerstar, der beliebteste Junge der Ewen High, sieht seine Zukunft in der Werkstatt seines Vaters und vor dem Tresen der Bars. Oder etwa wie die meisten der Mädchen der Schule? Deren Aussicht auf ein Leben außerhalb Chamberlains ebenfalls gering sind, wenn sie nicht gerade Glück haben und einen aufstrebenden Banker nach Kalifornien folgen oder durch die Beziehungen ihres Vaters in einem College in Ohio landen könnten? Kings Bild der hänselnden und Streiche spielenden Meute zeigt vor allem der Kampf des Durchschnitts gegen die Schwächeren, um ihre Verfehlungen und ihre eigenen Schwächen zu ignorieren oder um zu verhindern, selbst Opfer von Hänseleien zu werden. Das Ganze erinnert ein wenig an ''[[Amok]]'', den er aus Sicht von [[Charlie Decker]] in etwa um die gleiche Zeit schreibt. In beiden Werken sehen wir den enormen Aufwand, den es für manche Schüler bedeutet, einfach nur normal zu sein, normal erwachsen zu werden. Und zwei Möglichkeiten, wie sie scheitern. In ''Carrie'' verstärkt King die scheinbare Ausweglosigkeit, in dem er Carrie White als Spielball zweier extrem unterschiedlicher Welten darstellt. Der fanatischen Margaret White auf der einen Seite, und der Schüler und ihren Eltern auf der anderen. Carries Mutter ist in ihrer eigenen fanatischen Welt gefangen. Christ zu sein reicht nicht aus, denn auch die Baptisten und Methodisten seien gottlos. Jegliche Andeutung von Sexualität sieht sie als Spiegelbild von Evas Sünden im Paradies, die sie zu verhindern versucht. In ihrem Wahn ist sie sich zu keinem Zeitpunkt bewusst, dass das, womit sie Carrie schützen will, ihrer Tochter zu großem Unglück verhilft. Ihr Wahn ist schlussendlich ihr Todesurteil und die Art und Weise wie sie stirbt zeugt vor allem von Kings großer Abgebrühtheit, denn es der erste Tod des Romans, der über mehrere Zeilen ausgestreckt wird. Man kann sich wahrscheinlich ausgiebig über die Symbole auslassen, die King im Roman einstreut. Das wiederkehrende Motiv des Blutes im Gegensatz zu Carries Nachnamen. Die Tatsache, dass die Eltern der Kinder zum großen Tiel sterben, die auf dem Abschlussball Carrie auslachen. Dass King ausschließlich den Sex als positiv beschreibt, den Sue Snell mit ihrem Freund hat, nachdem sie Reue gegenüber Carrie zeigt. Doch in meinen Augen gehört das in den ''Prototypenbereich'' dieses Romans. King war mit Mitte 20 noch nicht soweit. Viele dieser Dinge wirken noch etwas ungelenk. Wenn er versucht, in die Gedankenwelt einer jungen Frau vorzudringen habe ich eher das Gefühl eines Spanners (Harte Brustwarzen einer 16-jährigen sind nicht gerade leichtes Lesematerial) und auch die Einschübe wirken an manchen Stellen zu gewollt. Als würde jemand eine Abkürzung suchen und sich nicht die die Zeit nehmen, ein Thema ernsthaft in den Text mit hineinzuarbeiten. Doch das Endergebnis stimmt. Mir gefällt der bei mir ausgelöste gedankliche Konflikt zwischen der gefühlten Gerechtigkeit und der Schuld eine ganze Stadt ihrem langsam Tod zu überlassen. Denn was ist hier wichtiger? Ein gehänseltes, unterdrücktes und drangsaliertes Mädchen, welches ihre letzte Rache bekommen hat, oder die gewöhnliche, scheinbar ereignislose Zukunft der Bewohner von Chamberlain?{{weiterführend Carrie}} [[Kategorie:Rezension]] [[Kategorie:Carrie]]

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